Was ist eigentlich Reenactment?

 

Geht es dir wie mir? Du hast schon einmel gehört, dass es so etwas wie Reenactment gibt. Also irgendwie so ´ne Art historische Improvisationstheater oder auch Rollenspiel, aber so genau weisst du das auch nicht?

Um hier Licht ins Dunkel zu bringen durfte ich den Historiker Kai Nehmann auf Herz und Nieren ausfragen. Dies war mein erstes Interview und Kai hat es mir wirklich leicht gemacht. Du erfährst, was Reenactment eigentlich ist, wie Du damit starten kannst und vieles über das 18. Jahrhudnert und verschiedene Reeactment Veranstaltugnen.

Du kannst das Interview entweder hier in voller Länge anhören oder es in der leicht gekürzten Fassung lesen. Viel Spaß!

Was ist Reenactment?

 

Ich hab hier einen supertollen Interviewpartner hier bei mir sitzen und zwar ist das der Kai, ein extrem lieber netter Kunde von mir, der sich schon viele Uniform von mir machen hat lassen. Am besten stellst du dich selber vor, wer du bist, was du machst und für was du eigentlich Uniformen brauchst und was für Uniformen das sind.  

Mein Name ist Kai Nehmann ich bin Archäologe und Historiker und arbeite an Museen. Und bin auch noch ja sowas wie ein Reenactor im 18 Jahrhundert und weil ich das 18. Jahrhundert sehr liebe und da vor allem die Preußen hat die Mel schon einige preußische Uniformen oder Uniformteile für mich gemacht, die ich mit großer Freude trage und die einen allgemeinen Neid hervorrufen das freut mich natürlich dann noch mal zusätzlich. 

 

Was ist denn Reenactment?

Reenactment heißt eigentlich eine Nachstellung historischer Szenen. Ursprünglich war damit nur gemeint dass man jetzt bestimmte, fest definierte historische Szenen oder Ereignisse nachspielt. Da bieten sich natürlich Schlachten oder Schlachtenszenen an,  aber das hat sich etwas erweitert auf die Nachstellungen historischen Lebens im Allgemeinen und das gibt es inzwischen von der Bronzezeit bis in die jüngere Vergangenheit, dass man da Reenactment betreibt. 

Das heißt also, dieses vergangene Leben versucht so genau wie möglich in der Kleidung, aber auch in der ganzen Materialkunde, im Handwerk nachzustellen. Und ich bin halt zu Militär gekommen und da stell ich auch mit einer Gruppe Soldatenleben im 18. Jahrhundert in Württemberg  zum Beispiel dar. Und das versuchen wir auch möglichst authentisch zu machen.

Reenactment gibt es im Zeltlager und in Museeumdörfern

Und wie darf man sich so eine Veranstaltung vorstellen? Wie lang geht das und wo findet das statt? Wie läuft das ab? 

Klassischerweise läuft das mehrere Tage. Man kommt Freitag morgens an und dann wird das Lager aufgebaut oder manchmal hat man auch das Glück, wenn das in Museumsdörfern ist ,dass man in die historischen Häuser rein darf und die als tatsächlich auch bewohnen kann. Eben mit den Mitteln, jetzt in meinem Fall, des 18 Jahrhunderts. 

Das selbe gibt’s natürlich dann auch fürs Mittelalter. Das dann in nachgebauten mittelalterlichen Gebäuden oder auch in Museumsdörfern,  die dann so bewohnt werden.

Bei mir ist es das 18. Jahrhundert, und das heißt, da hat man dann auch das Vergnügen mal auf einer Strohmatratze zu liegen. Das ist natürlich für einen selbst auch sehr interessant, weil das einem so ein bisschen mehr wieder das Gefühl gibt, wie damals die Leute gelebt haben.

Es gibt auch Tagesveranstaltungen

Man kann natürlich auch auf Tagesveranstaltung quasi irgendwo – ich sag jetzt mal – „rumstehen“ und da das Leben seiner Zeit präsentieren und dann geht man abends nach Hause oder  ins Hotel und  legt sich ins bequeme Bett, mach die Glotze an oder sonst was.

Aber so richtig Spaß macht das den meisten tatsächlich nur, wenn sie danach auch noch so ein bisschen Lagerleben haben und Zeit für sich.

Wir erklären auch gerne den Besuchern unsere Zeit, unsere Ausrüstung und unsere Rolle,  aber wenn man dann mal wieder so unter sich ist, das ist dann auch besonders schön.

Bis 2015 wurden die ganzen Schlachten der napoleonischen Kriege nachgestellt, was sehr gefragt war. Und wenn dann natürlich 2015 in Waterloo auf dem originalen Platz tausende von Akteuren unterwegs sind dann kriegt der Zuschauer und auch die Akteure dann schon so die eine andere Gänsehaut und einen schwachen Eindruck davon, wie es ist, wenn da nicht nur tausende, sondern wirklich zehntausende oder hundertausende auf dem Schlachtfeld stehen.

 

Ist das dann ein bisschen wie Improvisationstheater mit Zuschauern?

Nein, das geht dann nicht weil gerade die Schlachten Darstellung das ist schon auch halt unter gewissen Gefahr belastet weil  man sich ja nicht wirklich umbringen. Dass heißt, Angriffe werden nur angetäuscht man braucht vorher tatsächlich eine gute Absprache, dass nichts passiert. Ein Bajonett Angriff soll ja nicht damit enden, dass man an seinen Bajonetten den Gegner aufgespießt, sondern man muss den Bajonette Angriff so führen, dass er einerseits für den Zuschauer glaubwürdig ist,  aber andererseits dem Gegenüber und auch  einen selbst nichts passiert. Genauso ist das natürlich auch mit den Waffen an sich, mit den Kanonen, mit den Vorderladerwaffen, die ja mit Schwarzpulver schießen. Damit böllert man, dass heißt  man schießt ohne Kugel aber auch da kann genug passieren, wenn man nicht aufpasst.

Deshalb mach ich eigentlich nicht so gerne Schlachtdarstellung. Die jeweiligen Zeiten haben viel mehr zu bieten, als nur Kriege. Selbst wenn man im militärischen unterwegs ist , kann man so viel erklären, so viel zeigen, da braucht´s die Schlacht nicht, auch wenn das von den Zuschauern oftmals so als der Höhepunkt angesehen wird.

Es gibt unterschiedliche Standpunkte im Reenactment

Ich mache ja auch römisches Reenactment wobei ich da mehr im Bereich der experimentellen Archäologie unterwegs bin. Da gibt es unterschiedliche Darstellungen: Die First Person und die Third Person. Als First Person schildere ich als Archäologe Kai Nehmann im historischen Gewand Verhältnisse der Antike. Zum Beispiel bei den Römern zeige ich, welche Gegenstände wie benutzt wurden und wie die Verhältnisse damals waren. Ich kann also als First Person eins zu eins mit dem Wissen von heute aus der damaligen Zeit erklären und hab gleich meine Anschauungsobjekte bei mir. Wenn ich jetzt Third Person mache,  dann bin ich jetzt also im  18. Jahrhundert, der preußische Kapitän von Kutschenbach,  der hier seine Kompanie zu kommandieren hat und entsprechend auf Fragen von Besuchern nur aus seiner Zeit heraus antworten könnte.

First Person und Third Person

Auf die Frage „aus was sind die Uniform da?! würde ich antworten: „natürlich Wolle, was denn sonst, was bildet sie sich ein?“ . Und wenn dann die Frage käme „ist die selbst genäht?“ dann „was soll ich als Offizier meine Uniform selber nähen? Seh ich aus, wie eine Nähfrau?“.

Wenn ich First Person mache, dann kann ich tatsächlich sagen „nein,  das hat alles ein sehr nette Schneiderin aus Esslingen für mich gemacht, weil ich kann es nicht und sie kann es halt nach und es muss ja gut aussehen“. Das ist so der Unterschied, den man da machen kann.  Das sind auch so ganz verschiedene Standpunkte, die die jeweiligen Akteure einnehmen und das macht auch den Reiz Hobbys aus: man kann den ganzen Tag Theater spielen oder man kann, das mache ich dann meistens, die Welt mit Wissen befruchten.

Das ist dann auch das, was dir am meisten daran gefällt? 

Ja, das ist, was mir am meisten gefällt. Am schönsten natürlich mit Kindern. Die Kinder haben oft die klügsten Fragen. Die machen sich wirklich Gedanken. Jeder Reenactor kann ein Lied davon singen, dass erwachsene Besucher am Lager vorbei gehen und fragen,“ ist das Feuer echt“ oder „essen Sie auch  das was sie da kochen“?

Kinder haben die besten Fragen

Als Römer ist es mir schon passiert,  dass die Erwachsenen zu den Kindern gesagt haben „ach, das ist alles Quatsch hier, die Römer kannten noch gar kein Eisen“.  Während die Kinder , die sind da etwas unverbrauchter. Die sehen erst mal das, was sich ihm bietet und leiten daraus dann Ihre Fragen ab. Da kam dann, als wir bei den Römern eine Kampfsituation nachgestellt habe,  dann die Frage “ was machten die Römer mit ihren Verletzten und Kranken?“.  Das ist insofern natürlich ne wichtige Frage,weil die römische Armee tatsächlich schon sowas wie ein Lazarett hatte auch in den Kastellen dafür extra eingerichtete Bereiche.

Und da kommt man dann plötzlich in eine Sache zu erzählen auf die Erwachsene nie gekommen wären.   Kinder haben quasi die andere Herangehensweise, die sind viel entspannter  und da können dann die Eltern auch tatsächlich noch was lernen.

Das geht mir auch im 18. Jahrhundert so, wenn ich auf dem Hohenzollern stehe und mein Vorderladergewehr  erkläre, dann meinen die Erwachsenen, vor allem die Väter – ganz schlimm die Väter –  „oh guck a mal, a Ritter“  und dann erklär ich das ich das Gewehr den Kindern. Die Erwachsenden sind dann ganz erstaunt, wie viel Informationen sie dann noch mitgekriegt haben. Und das ist das tolle daran.

Kostümführungen auf der Burg Hohenzollern

Machst Du da Führungen auf der Burg Hohenzollern?

Ja, da mach ich Führungen,  aber oftmals  stehe ich auch ja einfach nur so rum. Das heißt, ich bin an kein Führungs- Format gebunden. ich kenne mich auf der Burg allerdings relativ gut aus. Ich mache da jetzt schon seit 10 Jahren Familien- und Kostümführungen. An  den Wochenenden stehe ich dann da als Preußischer Soldat zum Beispiel und kann alle Fragen beantworten:  von wie funktioniert das Gewehr bis hin zu wo ist die nächste Toilette. Das ist für die Burg Hohenzollern  eine Entlastung , weil  die haben dann an den Sommer Wochenenden oder bis zu 3000 Besuchern pro Tag zu versorgen und sind ein ganz froh wenn sie da so ein Springer auf dem Schlosshof stehen haben.

Natürlich bin ich dann auch ein Foto Objekt also ich würde mal sagen deine Uniformen  sind von Feuerland bis nach Alaska und von der Westküste USA bis hin nach Japan wirklich einmal um den Globus den Online-Plattform vertreten wenn man sich da mal suchen würde dann käme man auf eine stattliche Anzahl an Fotos.

 

Du hast vorhin ein Lazarett erwähnt. Im Larp ist es ja so , dass man nach der Schlacht die Verletzungen ausspielt und die direkt behandeln lässt. Macht ihr sowas auch?

Ja, tatsächlich , das machen wir auch. Im Römischen Reenactment spielen wir das nicht so aus, da ist die Präsentation eher  musealer, aber im 18 Jahrhundert gibt es einen Regimentsstab im Aufbau und da gibt es auch ein Feldlazarett.

Lazarettdarstellung im Reenactment

Die größte Veranstaltung des 18. Jahrhundert ist die die „Zeitreise ins 18. Jahrhundert“ im Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda. Da gibt’s dann das Regiment Erbprinz von Hessen-Darmstadt und die haben tatsächlich ein Lazarett mit Stabsarzt,  mit Regimentsfeldscher und Lazarettgehilfe. Wenn dann da die Schlacht vorüber ist,  ist dann im Anschluss auch gleich die Vorführung „Zustände im Lazarett“ . Dann liegen in dem Korb schon eine große Anzahl abgesägter Gliedmaßen und dann wird auch einem armen Freiwilligen eine Kugel extrahiert…  ja das machen die wirklich gut…

Amputationen und bleiche Besucher

Manchmal wird auch amputiert. Das ist dann natürlich auch sehr eindrucksvoll, denn dann ist natürlich der OP Tisch ist entsprechend präpariert. Auch mit viel Schreien und da wird dann auch viel schauspielerisches Talent von den Akteuren gefordert. Das machen die dann aber gern und ja, das ist wirklich sehr realitätsnah. Das ist schon erschreckend, also ich habe schon so manchen bleichen  Zuschauer oder Zuschauerin nach ´nem Schnaps  fragen hören. Das wirklich eine sehr gute Darstellung ist und das unterscheidet auch gutes Reenactment von Gewandungscamping . Gutes Reenactment  ist in gewisser Weise schonungslos gegenüber einem Zuschauer aus dem 21. Jahrhundert. Da wird halt mal ein Soldat durch die Gasse geschickt, dass heißt er wird mit Weidenruten auf dem Rücken ausgepeitscht. Natürlich nicht so, dass dem Delinquenten was passiert, aber es hört und sieht sich sehr echt an.

Dann fallen bei der Schlacht auch mal die Leute und marschieren nicht wie die Zinnsoldaten nur übers Schlachtfeld. Das ist eigentlich das gute Reenactment.

Gutes Reenactment

Und zum guten Reenactment gehört dann natürlich auch die authentisch Ausstattung. Das ist vielleicht dann der Unterschied zum Larp. Gut, als Elbenkrieger möchte man jetzt auch nicht rumlaufen wie Klein Schlumpfi, auch da gibt es gewisse Regeln ja die aber von der Fantasie eingegrenzt werden. Das heißt im Prinzip, wenn man jetzt nicht einem besondere Plot folgt, kann man da recht  viel machen, während im historischen Reenactment, da gibt’s dann die Authenzitätspäbste, die A-Päbste  die einem dann wirklich jeden falschen Knopf nachweisen, unter Umständen.  Ja, aber das ist halt das Schöne am Reenactment oder gerade im 18. Jahrhundert, weil im Unterschied zum Mittelalter oder auch zu Römer Szene macht man das nicht fürs Publikum sondern in erster Linie für sich.

Da ist zwar Publikum dabei, aber im Prinzip sind die Darsteller für sich, für ihr eigenes Hobby, für den eigenen Spaß, für ihre eigene – ja auch- Wissenserweiterung (in der Unterhaltung mit Kollegen) da und brauchen gar nicht das Publikum. Das ist halt bei der Zeitreise in Fulda das charmante.

Der Besucher ist beim Reenactment ein Zeitreisender

Im Idealfall kommt sich der der Besucher wirklich vor, wie ein Zeitreisender,  weil auf ihn sonst gar nicht geachtet wird. Man ignoriert die Besucher völlig. Wenn der Landgraf von Hessen kommt, liegt der Fokus darauf,  dass man dann seine Referenzen macht und da können die  Besucher dann staunend beobachten,  dass wirklich die Soldaten austreten in hab acht gehen  die die Damen die auf dem Hauptweg unterwegs sind, ihren Knicks machen die Herren den Hut abnehmen sich vorbeugen und so weiter und so fort. Das ist schon sehr schön und das wird im Prinzip auch von allen so durchgehalten.

Was gibt es noch für Bereiche, die ihr bespielt, außer Lazarett und Schlacht? Gibt’s da noch mehr?

 Ja, also die Darstellung für die jetzt der schöne neue Rock ist, ist ein Regimentsauditeur oder auch ein Regimentsquartiermeister das waren zwar zwei Funktionen, hatten die selbe Uniform also kann ich mir es aussuchen.

Auditeur Uniform Rokoko

Was ist ein Auditeur? Noch nie gehört…

Der Regimentsauditeur war sowas wie der Regimentsjurist. Wenn gegen irgendein Mitglied des Regiments etwas vorgefallen ist, dass heißt er wurde angeklagt,  egal ob der jetzt einen Offizier angegriffen hat,  ob er auf Wache geschlafen hat oder einen Kameraden was geklaut hat, ob er dem Pfarrer die Fensterscheiben eingeworfen hat …. das kam alles an den Regiments Juristen und der musste dann gucken, wie er das wieder gerade biegt,  beziehungsweise es gibt da ja auch Paragraphen fürs Preußische Militärrecht.

Bei vielem wusste er schon, was angemessen ist. Also Schlafen auf Wache, da wusste er automatisch, der Kerl muss 20 mal durch die Gasse. Denn das ist ein todeswürdiges Verbrechen und wenn man da 20 mal durch die Gasse, da stellt sich

dann die Kompanie auf, also so knapp 120 Mann, dann ist man am Ende einfach tot.

Oder Angriff auf einen Offizier, da wird man sofort erschossen, das ist auch eine recht klare Sache. Also grade wenn man so im Konflikt mit so zivilen Einrichtungen ist oder mit der Stadt, dann muss man gucken, wie vereint man da ziviles Recht und Militärrecht.

Das vereinen von Militärrecht und Zivilrecht: Gar nicht so einfach

Wenn man sich nicht einigen konnte, dann konnte es einem passieren dass ich da der König einschaltet und dann konnte es unangenehm werden. Vor allem für Angehörige des Militärs, weil da der König unmittelbaren Zugriff drauf hatte. Im Zweifelsfall hat nämlich auch der König (und das mag viele erstaunen) für das Zivile plädiert. Weil, er hat gesehen, die Bürger, die zivile Bevölkerung, das sind die, die die Steuern zahlen, die das Land quasi wirtschaftlich voranbringen.

Das Militär ist eine Notwendigkeit  um das Land zu verteidigen oder auch neues Land dazu zu erobern, wie im Falle von Friedrich II. Aber dann hat er halt gesagt, das Militär, das ist nötig, aber die Zivilen die bringen das Geld und deshalb entscheiden wir uns jetzt quasi für das Zivile.

Da dann als Regimentsauditeur einen Mittelweg zu finden, das ist sicherlich sehr spannend auch in der Darstellung. Der hat z.B. auch die Rekruten vereidigt, und inzwischen hab ich natürlich den original Wortlaut des Soldateneides und gerade das erwähnte Regiment von Hessen-Darmstadt Nr. 12, die machen da eine Vereidigungsszene. Dann wird man mich nächstes Jahr in Fulda oder woanders unter Umständen sehen wie ich da neue Soldaten vereidige.

Und als Quartiermeister, was musst Du da machen?

Da bin ich noch in der Recherche. Letztendlich habe ich dafür zu sorgen,  dass eben alles da ist,  das für die  Einquartierung der Soldaten nötig ist. Auf dem Marsch sorgt der Quartiermeister im wahrsten Sinne des Wortes für Quartier.

Der Quartiermeister sorgt für Quartier

Er markiert mit seinem Gehilfen,  wo welche Kompanie hinkommt,  wie viel Stroh zur Verfügung steht zum Schlafen, sind die Brote oder ist das Mehl schon da … Er ist verantwortlich, dass  die Soldaten gleich wissen wo sie ihre Zelte aufbauen müssen oder in welche Hausquartiere sie kommen. Wenn man in einem Dorf ist, dann weiß man, die Kompanie A geht  in den Stall, die Kompanie B in den kleineren Hof und so weiter und so fort und das ist schon sehr lustig.

Leider haben wir natürlich im 18. Jahrhundert  noch keine vollständige Kompanie zur Verfügung, dass man sowas auch mal richtig ausspielen könnte

Das wär dann toll!

Deshalb, kommt zu den Fahnen des Königs von Preußen kann ich nur immer wieder sagen!

 

Gibt es da auch Fortsetzungen oder Kampangen oder jede Veranstaltung in sich abgeschlossen?  

Im Prinzip ist es immer abgeschlossen. In der Napoleonik werden Kumpanen bespielt,  weil die ganzen Einheiten die Uniformentwicklung mitgemacht haben und dann auf gewisse Situationen anspielen und weiterspielen, aber jetzt gerade im 18. Jahrhundert sind  dasTagesaktionen an Schlössern oder Museen. Zum Beispiel jetzt hier in Stuttgart Schloss Solitude, Schloss Ludwigsburg oder neulich waren wir in Abtsgmünd auf einem Schloss, da haben wir dann Wachen-Situationen dargestellt.

Im Reenactment gibt es nur selten Kampangenspiel

In Fulda ist das z.B.  so, da kommt dann einfach der der Landgraf von Hessen auf ein sommerliches Lustlager, das heißt, da ist auch der ganze Hofstaat dabei. Und ein fürstlicher Hofstaat zieht allerlei Händler und Handwerker mit sich und übles Gesinde. Da ist dann wirklich alles da, vom Landgrafen bis zur Hure und das bildet auch die ganze Gesellschaft ab und das wiederholt sich jedes Jahr immer so ein bisschen und es verfeinert sich auch.

Zum Beispiel dieser Regimentsstab, von dem ich jetzt gerade schon erzählte, wo bislang zuerst das Lazarett da war, kam da plötzlich auch ein Profos dazu. der Profos ist als Auditeur mein Untergebener,  das ist quasi sowas wie der Kerkermeister des Regiments. Und dann gibt es auch ein Feldgeistlichen, natürlich evangelisch bei Preußens, und dann gibt es halt auch diesen Auditeur. So werden Darstellung immer weiter verfeinert er kommt immer wieder was neues dazu, aber  es wird auch quasi die Situation immer Wieder  „auf Null“ gesetzt.

Ist im Reeanctment freies Spiel möglich?

Ihr seid ja sozusagen der Geschichte verpflichtet, ihr müsst ja alles ganz korrekt machen. Wie könnt dann noch frei spielen? In wie fern ist da freies Spiel möglich? 

Freies Spiel ist da insofern möglich, dass man wahnsinnig viele Möglichkeiten hat, mit der Umgebung zu agieren.  In Fulda waren letztes Jahr 450 Akteure, es waren auch schon mal 600 Akteure.  Da ergibt sich automatisch  die Möglichkeit zum Spiel, sei es nun, dass man als Offizier durch die Zeltgasse geht und nicht gegrüßt wird, weil der Soldat einem grad den Popo aus dem Zelt raus streckt. Da kann man gleich reagieren, man hat ja ´nen Stock dabei.

Sei es nun, dass der Landgraf einen völlig überraschend zu sich zu Tisch bittet, ist mir noch nicht passiert, aber einen Kameraden. Der wurde dann befohlen zum Landgrafen zu Tisch. Da mussten auch alle anderen Sachen und Verabredungen einfach ausbleiben, weil wenn der Landgraf ruft, dann geht man da natürlich hin!

Interaktion mit der Umgebung

Die Veranstalter, das ist die Gesellschaft für hessische Militär- und Zivilgeschichte 18 Jahrhundert , haben so viel Fantasie und auch so viel Spielfreude, dass da die Ideen nicht ausgehen werden. Da gibt es den Hofbankier vom Landgrafen, der manchmal in leicht zwielichtige Geschäfte verwickelt ist und dann auch andere zwielichtige Gestalten um sich herum sammelt, die dann irgendwie doch in Schwierigkeiten mit dem Gesetz kommen und der Landgraf kann das dann doch nicht mehr ignorieren.

Dann wird halt irgendjemand festgenommen zum Beispiel. Das sind dann sehr lebendige  Aktionen und das Publikum steht staunend daneben und denkt sich, „huch, was ist denn jetzt los? Was für ein Geschrei und da rennen jetzt plötzlich die Soldaten durch die Gegend“. Oder „was fuchtelt der jetzt mit seinem Stock rum schlägt da diesen armen Mann?“. Aber wir versuchen, das Leben, die  Gesellschaft  im 18. Jahrhundert möglichst genau abzubilden.

Auch wenn man auf einem Ball ist, ist es so, dass die Anwesenden sich möglichst authentisch benehmen. Was von den Herren vor allem ein, für heute  unzeitgemäßes, Rücksicht nehmen auf die Damen zur Folge hat. Macht mir keine Schwierigkeiten, aber manche denken „ah, ach so, ich darf mich ja noch gar nicht setzten, weil die Damen sitzen ja noch nicht“.

Also das sind dann doch so Sachen, wo dann auch der einzelne merkt, o.k. da muss ich noch an meiner Darstellung ein bisschen feilen, wenn ich nicht nur als Bauertölpel durchgehen will , ich stell ja schließlich einen Adligen dar.

Adlige darstellen – gar nicht so einfach

Dann gibt es auch Adlige, die spielerisch eine Duell Situation herbeiführen und sich dann sich auf Pistole auf Degen duellieren können. Und die sind dann auch so gut, dass die dann auch tatsächlich diese Situation ausspielen können, inklusive auch wiederum eines Wundarztes (da ist dann so ein Päckchen mit Theaterblut drunter). Das sind dann schon tolle Situationen und oftmals wird man dann auch unverhofft mit in eine Situation gezogen.

Ich wurde noch nie zum Landgraf eingeladen, aber bei einer kleinen Hoflebensdarstellung  in Lauterbach wurde ich plötzlich, weil ich ja Offizier bin, in einer sehr delikaten Angelegenheit zu einer Dame gesandt, der man Quasi durch die Blume zu verstehen geben wollte, dass sie am Hof nicht weiter  erwünscht ist. Und diese delikate Aufgabe hatte ich dann zu erledigen. Und da ist es auch ganz gut, wenn man privat ein gutes Verhältnis mit den Darstellerinnen und Darstellern hat. Da lässt man sich auf so ein Spiel auch sehr gerne ein. Das sind dann so Sachen, die machen dann Spaß! Das Spiel ist offen nach jeder Seite und das ist das toll!

Habt ihr es schon mal geschafft, die Geschichte so richtig gewaltig umzuschreiben?  

Ne, das haben wir noch nicht geschafft.

 

Da sollte man vielleicht auch vorsichtig sein, mit dem Raum-Zeit-Kontinuum.. 

Ja, nicht, dass wir da in ein böses Paralleluniversum hüpfen.

Anachronismus im Reenactment – Unvermeidbar

Natürlich, man befindet sich immer in einem Anachronismus.

Gerade in Fulda, im Schloss Fasanerie,  ist eigentlich das Überthema „Amerikanischer Unabhängigkeitsskrieg“ . Da springen dann viele amerikanische Siedler rum, viele amerikanische Regimenter und Indianer. Das ist natürlich schon Anachronismus an sich. Das ist auch ein Anachronismus an sich, dass ich da als preußischer Offizier rumstehe.

Einmal allerdings war ich da als württembergisches Regat da – also die Uniform, die Du mir auch gemacht hast – und dieses Regiment war tatsächlich in Fulda und Eichenzell. Also da war ich sozusagen ein mit hier und jetzt und damals.

Aber gut, das sind natürlich so Sachen, die muss man einfach dann ignorieren. Das Publikum nimmt das ja sowieso wieder anders auf  und nicht umsonst gibt es eine Trennung in Zivillager und Militärlager. Das Zivillager mit Hofstaat, mit Adel, mit Handwerk, mit Bettlern mit Huren, Wäscherinnen was manchmal das selbe ist, befindet sich auf der einen Seite des Geländes, das Militärlager auf der anderen Seite. Da hat man die europäischen Regimente und dann eben die überseeischen Regimente, also auch da gibt es eine Trennung.

Auf dem Schlachtfeld in Fulda trifft sich alles

Man kann in den einzelnen Bereiche diese Epochen für sich erleben, nur auf dem Schlachtfeld, da trifft dann alles zusammen. Da hat man dann die sonderbare Konstellation, dass dann plötzlich auch Preußen gegen die Amerikanischen Unabhängigkeitstruppen kämpfen.  Ja, das ist so ein bisschen weit hergeholt aber die US Truppen  sind traditionell immer viel mehr als britische oder hessische. Hessen, deshalb hat man auch dieses Thema gewählt, weil Hessen ja  in Amerika gekämpft haben und dann nimmt man halt auch die Preußen oder auch Württemberger dazu oder ja, was halt noch  an europäischen Soldaten rumsteht. Die müssen dann gegen die Amerikaner kämpfen, damit  die dann auch ein paar Gewehrläufe in die Luft strecken und nicht 10 gegen 100 und 10 gewinnen am Schluss. Das muss ja auch für den Besucher glaubwürdig bleiben.

Dann hab ich noch eine Frage zum Schluss , und zwar wenn jemand jetzt denkt“ wow,  das möchte ich auch machen“ was würdest Du jemanden raten, der damit beginnen möchte?

Also, am besten an eine vorhandene Reeactment Gruppe andocken.

 

Wie findet man sowas?

So kann man mit Reenactment starten

Das findet man im Internet, ganz einfach, da gibt es z.B. eine Plattform, der Dreispitz, da sind viele Akteure aus dem zivilen aus dem Militär aus dem Inland aus dem aus Ausland drauf.

Dann kann man sich aber auch direkt an die Gesellschaft für Militär und Zivildarstellung  im 18. Jahrhundert in Hessen wenden. Die haben auch eine sehr schöne Internetseite. Die haben zahlreiche, verschiedenste Gruppen, wo man sich einreihen kann. Wenn man zum Beispiel nicht zum Militär möchte.

Vor allem Frauen entscheiden sich oft fürs Zivile Reenactment. Da können sie Hofstaat machen, sie können auch Handwerker machen, da können die Bürgertum machen. Es gibt zwar auch manchmal, im 18. Jahrhundert  verkleidete Frauen unter den Soldaten, aber das ist jetzt nicht so, dass die da reihenweise gestanden haben.

Manche kommen auch aus ihrem Beruf. Wenn jetzt einer sagt, er ist z.B.  Zimmermann und er sagt, er möchte jetzt mal so arbeiten wie ein Zimmermann im 18. Jahrhundert gearbeitet hat. Mit Handwerkzeug ohne elektrischen Strom und möchte das mal ein bisschen ausleben… Oder auch ein Schuster oder Schneiderin, dann kann man da ganz viel machen. Für die Männer ist natürlich das Militär interessant.

Erst die Gruppe, dann die Ausrüstung

Wichtig ist auf jeden Fall : noch nichts kaufen, erst an die Gruppe rangehen und sagen, darf ich mal bei Euch mitlaufen? . Das kann ja sein, dass es einem überhaupt nicht gefällt . Das man das zwar schön im anschauen findet, aber es dann doch ziemlich aufwendig und anstrengend findet. Die Gruppen,  die sagen dann ganz genau was in welcher  Qualität man braucht.

Gerade zum Beispiel bei Uniformen ist ja die Uniformität wichtig. Und man mit einem blauen Uniformstoff kommt, mach dir halt mal ne blaue Uniform. Was ist blau? Das kann von preußisch blau bis hellblau und sämtliche Schattierungen dazwischen sein und plötzlich steht da einer mit einem völlig falschen Rock mit völlig komischen Farben.

Viele haben schon so ihre Zweit- und  Drittmontur. Die sagen, „komm, für das Wochenende kriegst du jetzt einfach mal meine Soldatenuniform da kannst du dich dazu zu stellen, siehst gut aus, hast das passende Zeug, das ist vollständig“. Das kannst du auch noch beim zweiten Mal machen. Und wenn du dann siehst, du hast Interesse dran, das macht dir spaß du findest auch die Leute nett,  die da sind nicht zu vergessen. Dann fängt man an zu bauen, zu basteln, zu nähen, wenn man es selber kann, sonst muss man zu dir kommen.

Und das ist überall so, das ist in jeder Epoche so. Und wenn man sagt, ich möchte gerne selber nähen, dann gibt es da auch bei den ganzen Gruppen die jeweiligen Schnitte.

Möchtest Du abschließend noch was loswerden in die Welt?

Habt Spaß beim Hobby, drückt ein Auge zu, wenn Anfänger kommen und wir sehen uns entweder bei den Römern oder im 18. Jahrhundert.

Bist Du auch ein Reeanctor und hast einiges zu erzählen oder Tipps für Anfänger? Hast Du Fragen zu Uniformen? Dann schreib mir alles gerne in die Kommentare. Ich bin gespannt!